Galerie Nagel Draxler, Köln, 2020
29.02 – 10.04.2020
Eröffnung: Freitag, 28. Februar 2020, 18–21 Uhr
Galerie Nagel Draxler
Elisenstraße 4–6
50667 Köln
Öffnungszeiten :
Mittwoch – Freitag 11–18 Uhr
Samstag 11–16 Uhr
In Kilppers oft großformatigen Holzschnitten treffen die Protagonisten von Rechts- und Unrechtssystemen collagenhaft aufeinander. Holzschnitt ist eine uralte Technik, die sowohl der Überlieferung von Texten und Illustrationen im frühen Buchdruck, als auch der Verfassung von kritischen Pamphleten, widerständigen Manifesten und Flugschriften diente. Thomas Kilpper verwendet das Verfahren nicht nur um Drucke zu erzeugen, sondern um bildgewordene Spuren des Geschehenen in Materialien, die oft mit konkreten Orten verbunden sind, einzuritzen.
Bereits 1997 fertigte Thomas Kilpper als Meisterschüler von Georg Herold an der Frankfurter Städelschule einen Holzschnitt aus dem Parkettboden der zum Abriss bestimmten ehemaligen sowjetischen Militärmission in Frankfurt am Main-Niederrad an. 1998 folgte don´t look back im ehemaligen Camp King der US-Armee in Oberursel, wo er das gesamte Holzparkett der ehemaligen Basketballhalle mit zeitkritischen Motiven bearbeitete. 2000 dann The Ring, ein 400qm großer Schnitt in das Mahagoniparkett im 10. Stock des traditionsreichen „Orbit House“ in Southwark, London. In Berlin schnitt Kilpper 2009 unter dem Titel State of Control in den 800qm großen PVC-Fußboden der Kantine des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit der DDR die Geschichte der auf staatlicher Überwachung und Repression aufgebauten Institution ein, darunter zahlreiche Porträts auch westdeutscher Akteure. Stets nahm er dabei Drucke auf Papier oder Stoff ab, die zu Installationen oder Einzelbildern wurden.
In seiner Ausstellung Köln Fragmente nimmt Thomas Kilpper nun die deutsche Faszinations-, Ausbeutungs- und Verfolgungsgeschichte des Fremden am Beispiel der Geschichte des Rheinlands von der Nachkriegszeit bis zur Gegenwart in den Blick. Der feierlichen Begrüßung des 1-Millionsten ‘Gastarbeiters’ Armando Rodrigues de Sá am 10. September 1964 durch die deutschen Arbeiterverbände, stehen die Bilder der streikenden Fordarbeiter*innen, türkenfeindliche Schlagzeilen und die rassistischen NSU-Anschläge gegenüber. Auch der Kunststadt Köln, dem Einsturz des Stadtarchivs und dem Kampf um den Erhalt des Hambacher Forsts sind Kapitel gewidmet. Ein fulminanter, labyrinthartiger Parcours aus Holztafeln, in die die Motive geschnitten sind, füllt den gesamten Galerieraum aus. Ikonografisch oder wie Tableau vivant wirken diese Bilder, Materialität und Dichte machen es schwer zu den Sujets in Distanz zu gehen.
Bei den Birkenholz-Platten, die Kilpper verwendet, handelt es sich um recyceltes Material aus seiner Bodenarbeit Spuren des Krieges für die Ausstellung VERMISST Der Turm der blauen Pferde, die im Frühjahr 2017 in der Münchner Pinakothek der Moderne stattfand und die das verschollene, einstmals als „entartet” stigmatisierte Gemälde von Franz Marc thematisierte. Kilpper hat einen modernen 60 Tonnen schweren Leopard II-Panzer der Bundeswehr über das Holz fahren lassen, sodass sich dessen Kettenmuster darin einprägte, was mit kriegsverherrlichenden Zitaten aus Feldbriefen von Marc kontrastiert ist. Für Köln Fragmente hat er die Platten einfach umgedreht und noch einmal neu bearbeitet. Ihre Rückseite ist jedoch bewusst an einigen Stellen der Ausstellung mit sichtbar.