5. – 25. November 2005
Ausstellung:
Thomas Kilpper in der Galerie wildwechsel
http://www.wolfstaedter.de/
Rotlintstr. 98, 60389 Frankfurt
Tel. 069-738416
Fahrradladen
Vernissage: 4. November 2005 19.00 Uhr
Ausstellung: 5. November – 25. November 2005
Öffnungszeiten: Mi. Do. Fr. 16.00 – 19.00 Uhr u.n.V
Auf fast allen Wegen, die ein Künstler begehen kann,
wählt der in Berlin lebende Thomas Kilpper den schwierigsten. In seiner
Arbeit schreckt er einerseits nicht zurück vor grossen bis monumentalen
Formaten und komplexen Inhalten. Andererseits entwickelt er eine
erstaunliche Vielfalt und Liebe zum Detail, geht in die Tiefe.
Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde Kilpper durch seine
großformatigen Holzschnitt-Projekte von 1998 bis 2000 in leerstehenden
Gebäuden bei Frankfurt und in London.
Hier arbeitete er sich regelrecht ab: am Widerstand des
Parkettbodens und an dessen teils komischer, teils belasteter
Geschichte. Bei Frankfurt war es ein ehemaliges Nazi-Militärlager, das
nach dem Krieg zum Ort zahlreicher Verhöre und Übungseinsätze der
US-Armee wurde und wo kaum 2 Jahre nach Kriegsende mit Hilfe der CIA der
Vorläufer des deutschen Auslands Geheimdienst, BND, die sog.
„Organisation Gehlen“ aus der Taufe gehoben wurde. Erstaunlicherweise
geschah dies unter derselben Führung, die zuvor den Nazi-Geheimdienst
„Fremde Heere Ost“ stellte: Reinhard Gehlen.
In London war es ein Ort an dem im 18.Jahrhundert ein
oktagonales Gotteshaus errichtet wurde, das knapp hundert Jahre später
radikal umgenutzt wurde: die Kanzel wurde ersetzt durch einen Box-Ring,
in dem 30 Jahre bedeutende und populäre Boxkämpfe stattfanden – bis
während des 2. Weltkriegs Hitlers Luftwaffe das Gebäude in Schutt und
Asche legte. Orbit House, das nach dem Krieg an selber Stelle errichtet
wurde, diente zunächst der Britischen Armee als geheimer Ort ihrer
Druckwerkstatt, bis die Orientabteilung der British Library hier einzog
und unter anderem just in diesem Ort den ältesten bekannten Holzschnitt
der Welt aufbewahrte, den „Diamond Sutra“ aus China.
Kilpper geht in Archive, befragt Anwohner oder ehemalige
Angestellte… dann rückt er an: „mit schwerem Gerät werden dem glatten
Holzboden die Gespenster der eigenen Vergangenheit eingeritzt, -gesägt,
-gefräst, -geschnitten, -gehackt, -gestemmt. Später wird die
aufgekratzte Landschaft wundartistisch versorgt. Mit Farbe, Papier und
Stoffen werden die Drucke abgenommen.“ (Else Gabriel über Thomas
Kilpper)
Auf Einladung des Goethe-Instituts reiste Kilpper 2003 in die
besetzten Gebiete Palästinas und baute gemeinsam mit palästinensischen
Jugendlichen aus Metall zerstörter Häuser und Autos eine überlebensgroße
Pferd-Skulptur. Im Arabischen Raum ist das Pferd Symbol für Freiheit
und genießt ungemein große Popularität.
Gegen ständig wiederkehrende Ausgangssperren, Kontrollen,
Panzer- und Luftwaffeneinsätze war dieses Projekt der Versuch, wieder
Spiel- und Bewegungsräume im Öffentlichen Raum zu eröffnen. Nach seiner
Fertigstellung wurde das Pferd gemeinsam mit einigen
Workshop-Teilnehmern – trotz aller Warnungen – erfolgreich von
Checkpoint zu Checkpoint durch die gesamte Westbank bis nach Ramallah,
zu Arafats zerstörtem Regierungssitz gezogen. Wie durch ein Wunder
öffnete das Pferd für einen kurzen Augenblick fast sämtliche sonst
verschlossenen Tore. „Man muß den Film sehen, den Thomas Kilpper darüber
gemacht hat… Die geschilderten Einzelheiten ganz alltäglichen
Lebens stecken voll absurder Hindernisse, handeln auch von großer
Gastfreundschaft, und vom Eingerichtetsein in Provisorien ebenso wie in
Feindseligkeiten….“(Else Gabriel)
Für die Galerie Wildwechsel in Frankfurt hat Thomas Kilpper eine neue Installation – Fahrradladen – vorgesehen.
Es werden sowohl Fahrräder zum Kauf angeboten – als auch defekte
Räder zur Reparatur angenommen. Der Galerist und Kunsthändler wird zum
Fahrad-Verkäufer und Fahrrad-Mechaniker – der Galeriebesucher
möglicherweise zum Fahrrad Käufer oder Kunde einer Fahrrad Reparatur.
Kilpper will sowohl Funktion und Identität des Ortes als auch
die soziale Stellung seiner Protagonisten befragen – und gleichzeitig
anregen zu einer Form ökologisch sinnvoller Mobilität. Die während der
Ausstellung verkauften Räder werden vom Künstler signiert.